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Kölner "Zwitterprozess" - 100.000 EUR Schmerzensgeld zugesprochen

PM schmerzensgeld.info vom 01.09.2009 - Urteil LG Köln vom 12.08.2009


Im Jahre 1977 wurden der damals 18-jährigen Klägerin ohne vorherige Einwilligung im Rahmen einer Blinddarm-Operation die Eierstöcke entfernt. Der Beklagte war vor dieser Operation von einem gemischt männlich-weiblichen Geschlecht und verkümmerten weiblichen Geschlechtsorganen ausgegangen.

Das Oberlandesgericht Köln entschied hierzu im September 2008, dass der Beklagte die Klägerin dadurch schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt habe und folglich zum Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld verpflichtet sei. Über die Höhe des Schmerzensgeldes wurde seinerzeit nicht entschieden.

Das Landgericht Köln (Az: 25 O 179/07) hat das Schmerzensgeld auf 100.000,- EUR festgesetzt.

Die Urteilsgründe stellen schwerpunktmäßig darauf ab, dass der Klägerin die Möglichkeit genommen wurde, ein weibliches Leben zu führen. Ein Leben als Frau zu führen und ihre weibliche Sexualität - bis hin zur Fortpflanzung - zu erleben, sei ihr nicht mehr möglich. Dadurch sei ihre geschlechtliche Identität massiv und unwiederbringlich geschädigt.

Das Gericht stellte dabei auf die körperliche Unversehrtheit und das Persönlichkeitsrecht der Klägerin ab.

Schwer wog der Umstand, dass sich die Folgen der seinerzeitigen Operation bis zum heutigen Tag auswirken. Durch die Entfernung der Eierstöcke war ihr die Möglichkeit genommen, selbst weibliche Geschlechtshormone zu bilden. Auf natürlichem Wege konnte die Klägerin daher das Leben einer Frau nicht mehr führen. Die massive Beeinträchtigung der geschlechtlichen Identität wirkt sich bei der Geschädigten Tag für Tag aus. Nach eigenem Bekunden führt die Klägerin "ein Leben im falschen Geschlecht".

Als Orientierungspunkt für die Bemessung des Schmerzensgeldes stellte das Landgericht Köln auf vergleichbare Rechtsprechung ab, die Schmerzensgelder in einer Größenordnung zwischen 20.000,- EUR bis 50.000,- EUR zusprachen (LG Rostock, Urteil vom 03.07.1997, 10 O 14/97; OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.12.1994, VersR 1995, 1316; OLG Oldenburg, Urteil vom 02.08.2006, 5 U 16/06). Hinsichtlich des besonderen Leids, das die Klägerin erfahren hatte, war das Schmerzensgeld auf die Summe von 100.000,- EUR aufzustocken.

(Landgericht Köln, Urteil vom 12.08.2009, 25 O 179/07; siehe hierzu bereits unsere Pressemitteilung "Kölner Zwitterprozess" - Oberlandesgericht Köln vom 04.09.2008: https://www.schmerzensgeld.info/29a21f94-d461-4681-b56b-e17a1176b25e/pressedetail.aspx).

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